Nürnberger Stadträtin fordert " Sexassistenten " für Pflegeheime

 

Warum denken viele, im Alten- und Pflegeheim endet das Bedürfnis nach Sexualität?
Andrea Bielmeier: Das liegt an dem gesellschaftlichen Bild des Alters, das mit Nicht-mehr-Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gleichgesetzt wird.. Deswegen wird nur den jungen Menschen das Recht auf Sexualität zugestanden. Das hängt wohl auch leider mit dem Jugendwahn in der Gesellschaft zusammen.

Wie kann pflegebedürftigen Menschen beim Thema Sexualität auch im hohen Alter geholfen werden?
Es geht um den würdevollen Umgang, wenn diese Bedürfnisse geäußert werden. Sie werden ja selten offen geäußert. Deswegen muss man diese Bedürfnisse per se anerkennen. Es geht beim Thema Sex im Alten -und Pflegeheim ganz oft um das Thema Annäherungen und Nähe. Deswegen müssen die Pflegekräfte auch geschult werden, weil es für sie oftmals schwierig ist, eine Grenze zu ziehen zwischen Distanz und Nähe. Was lass ich zu und was nicht.
Sie fordern "Sexualassistentinnen" für Alten- und Pflegeheime?
In Nürnberg gibt es "Kassandra", eine Organisation für Sex-Arbeiterinnen. Dieser Verein bietet eine Schulung für Sexualbegleiter an. Da geht es nicht um den Geschlechtsakt. Es geht darum, körperliche Nähe zuzulassen.
Ist das nicht Prostitution auf Krankenschein?
Nein, das ist eine psychosoziale und medizinische Dienstleistung. In den Niederlanden können behinderte Menschen schon seit vielen Jahren auf Rezept solche Dienstleistungen erhalten.
Als Krankenschwester kennen Sie persönlich das Thema. Was muss in der Praxis passieren?
Man muss die Angehörigen sensibilisieren. Ich habe eine 80-jährige Frau erlebt, die gesagt hat, sie möchte mal wieder einen nackten Mann sehen. Das hätten die Kinder von ihrer Mutter sicher nicht erwartet. Es geht also nicht um große Ausgaben sondern um Aufklärungsarbeit. Ich will das Thema aus der Tabuecke holen und diese Bedürfnisse thematisieren. Es geht darum, diese Bedürfnisse zu erkennen und damit würdevoll umzugehen. Die Kosten für eine Sexualbegleitung müssten natürlich die Bewohner und nicht die Pflegeeinrichtungen bezahlen.

 

von NIKOLAS PELKE

 

Sexualassistenz: Grüne fordern Sex auf Rezept für Pflegebedürftige

8. Januar 2017, 9:23 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE

 

Sex mit Prostituierten solle für Schwerkranke von den Kommunen bezuschusst werden, fordert die pflegepolitische Sprecherin der Grünen. Vorbild seien die Niederlande.

 

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Sexualassistenz ist ein Trend in der Pflege – aber unter Experten sehr umstritten. © 

Nach Ansicht der Grünen sollen Pflegebedürftige und Schwerkranke in Zukunft den Geschlechtsverkehr mit Prostituierten bezahlt bekommen können. "Eine Finanzierung für Sexualassistenz ist für mich vorstellbar", sagte die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, der Welt am Sonntag. "Die Kommune könnte über entsprechende Angebote vor Ort beraten und Zuschüsse gewähren", sagte die Politikerin.

Vorbild seien die Niederlande: Dort gibt es dem Bericht zufolge bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit, sich als Pflegebedürftiger die Dienste sogenannter Sexualassistentinnen – zertifizierter Prostituierter – bezahlen zu lassen. Per Attest müssen die Betroffenen nachweisen, dass sie sich nicht anders befriedigen können und selbst nicht für die Dienste bezahlen können.

Sexualassistenz ist ein umstrittener Trend

Sexualassistenz ist derzeit ein Trend in der deutschen Pflege. Immer mehr Prostituierte geben sich diese Zusatzbezeichnung und bieten etwa in Pflegeheimen ihre Dienste an. Da die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, existieren jedoch große Qualitätsunterschiede, was den Umgang etwa mit Demenzkranken angeht.

Das Konzept und die öffentliche finanzielle Übernahme sind in der Pflegebranche umstritten. Der Pflegeforscher Wilhelm Frieling-Sonnenberg, Professor an der Hochschule Nordhausen, bezeichnet das Konzept als "menschenverachtend". "Da geht es allenfalls darum, Menschen durch sexuellen Druckabbau wieder funktionstüchtig machen zu wollen: Lasst die Alten Druck ablassen, dann sind sie pflegeleichter." Sexualberaterin Vanessa del Rae sagt hingegen, die geschulten        " Sexualassistenten"  seien ein "Segen" für die vorwiegend männlichen Heimbewohner und eine " Entlastung" , insbesondere dem vorrangig weiblichen Pflegepersonal gegenüber die mit der " lustverdrängten Problematik " alter Menschen oft täglich indirekt konfrontiert werden. -

 

 

"Eine neue Sichtweise zum Thema Sexualität & Behinderung“                                      

Sind nur gerade Körper schön? Gibt es Normen ? Und wer stellt sie auf ?

Auch Menschen mit Behinderung soll die Möglichkeit geboten werden, ihre sexuellen Wünsche zu erfüllen, insbesonders da sich das durch ein jeweiliges Handicap oft als besonders problematisch herausstellt.


Zweifellos sind sowohl Behinderung als auch Sexualität Themen, die lange tabu waren, und es teilweise auch heute noch sind. Sie rufen, zumal wenn sie gemeinsam auftauchen, Angst und Unsicherheiten hervor, Gefühle, die eine Tendenz fördern, Sex bei Behinderten für unwichtig zu halten oder ganz auszuschließen. Auffällig oft bleiben Diskussionen über Sexualität und Behinderung im abgehobenen Intellektualisieren oder bei Appellen stecken, etwa von der Art:       

" Wir müssen unsere Schönheitsnormen hinterfragen!" Bereits seit mehr als 20 Jahren habe ich mich dieser Thematik verpflichtet gefühlt. Ich möchte hier einige mir wichtige Punkte wiederholt zusammenstellen und auf die bestehenden  Probleme hinweisen, ohne mich zu Veränderungsvorschlägen verpflichtet zu fühlen, da es sich um eine individuelle und gesellschaftliche Angelegenheit höchst unterschiedlicher Prägung handelt. Zumindest aber " gedanklichen Anstoß" geben....Ich verwerte dabei Material aus mehreren Gesprächen mit Körperbehinderten sowie meine eigenen Erfahrungen. Erst seit der Mitte der siebziger Jahre beschäftigen sich wissenschaftliche Veröffentlichungen überhaupt mit Partnerschaft und Sexualität bei Körperbehinderten. Dabei wird, ganz im Gegensatz zur sonstigen "sexuellen Befreiung", eine geradezu lebensfeindliche Einstellung sichtbar. Der Gesichtspunkt "Ehe und Körperbehinderung" wird einem gerade noch zur ausführlicheren  Erörterung zugelassen, Partnerschaft und Sexualität außerhalb einer Ehe kommen allenfalls am Rande vor.

Als handele es sich um eine andere Sorte von Menschen, wird die Sexualität von Behinderten unterschieden von sogenannten "normalen" Bedürfnis nach

Sexualität und dem Recht darauf. Oft kennzeichnet also eine entmündigende und arrogante Haltung die Auseinandersetzung mit den sexuellen Bedürfnissen Behinderter. So wird etwa Körperbehinderten abgesprochen, daß sie überhaupt fähig seien, Partnerschaft und Sexualität zu verwirklichen. Mit großem Eifer wird Ausgleich angepriesen; die Alternativen lauten dann "eine hochwertige Berufsausbildung", "gesunder Leistungsehrgeiz", "befriedigende Arbeit" oder "Pflege persönlicher Interessen".

In Heimen bemüht man sich darum, sexuelle Wünsche einzudämmen, um möglichst keine schlafenden Hunde zu wecken. Bei einer Umfrage unter Heimleitern  war zu hören: "Die Problematik haben wir nicht, da die Leute sehr schwer behindert sind ... Überhaupt wird heute auf der ganzen Welt die Sexualität hochgespielt. Ich sehe keinen Sinn darin, auch noch die Körperbehinderten damit zu konfrontieren, sie haben sonst schon genug Probleme." - Solche Äußerungen enthalten eine doppelte Abstempelung und Ausgrenzung. Zum einen wird gar nicht danach gefragt, wie sich eine Aussonderung in Heimen, Sonderschulen, Rehabilitationszentren und ähnlichen

Einrichtungen auf das Sozialverhalten eines Menschen auswirkt, und zwar eines jeden Menschen, ob er nun behindert ist oder nicht.  Zum anderen wird Behinderten

ein besonderes Unvermögen unterstellt und der Anschein erweckt, es sei durch die Behinderung verursacht. Vor allem soll dieses vermeintliche Unvermögen bestehen in einer Unfähigkeit der Hinwendung zum Du, und in geschlechtlicher Handlungsunfähigkeit . 

Ich mußte in den 70 er Jahren noch erfahren, daß man in der Psychiatrie im Speziellen erkrankten Personenkreisen unter lautem Protest dieser die Hände an der Bettvergitterung fixierte, nur weil sie den fortlaufenden Wunsch zum masturbieren verspürten, dem sie ansonsten friedlich in den Tag hinein in sich selbst genossen.

Nun argumentieren Sie doch bitte mal, weshalb Behinderten weniger Rechte eingeräumt werden sollen, als Nichtbehinderten. Was verstehen Sie eigentlich unter einer Perversion? Exhibitionismus beispielsweise ist auch in meinen Augen pervers, weil die Zeigelust eine sexuelle Richtung anzeigt, die geächtet wird, nicht der Norm entspricht, mit Ausnahme bei den Frauen. Aber schauen, möglichst heimlich noch tun doch alle. Wie treiben es die Großen & Reichen, was der Nachbar o.ä.

Die Medien sättigen unser voyeuristisches Gedankengut, nur dazu stehen, bitte nein – und im Sexuellen die Abwertung in Folge  „ alles Perversionen“. – Ich persönlich vertrete die Ansicht, daß in der Gefühlswelt in Bezug auf Sexualität zwischen

Behinderten und Nichtbehinderten absolut kein Unterschied gemacht werden dürfte und sehe auch nicht ein, weshalb dies geschehen sollte. Falls nicht, tragen Sie mir bitte nachvollziehbare Gründe vor, die eine Differenzierung rechtfertigen. Irgendwie

bin ich vom  neuen Medium Internet auch nicht so überzeugt. Es gibt über 100 Millionen Einwohner im deutschsprachigen Raum, aber wenn man die Sites&Boards zum Thema anschaut, hat man den Eindruck, es tut sich nicht viel. Während es für alleinstehende Senioren in Altersheimen Besuchsdienste gibt, gibt es für Behinderte nichts,  nicht mal "Körperkontakt" !

Haben Heime überhaupt einen Internet-Zugang ? Einen Net-Zugang haben sie wohl in der Regel eher nicht, dies ist purer Luxus. Allerdings sind sehr viele behinderte Online, da dies ein Medium der Kommunikation ist, das relativ barrierefrei ist. Bis auf die Blinden, die haben es im Netz immer noch schwer, durch die graphischen Oberflächen. In den Heimen sind behinderte Menschen nur untergebracht, verstaut. Manchmal mehr oder weniger "liebevoll".

Warum mich das interessiert ? Weil ich diese "schöne,neue Baywatch-Welt" einfach satt habe!! Scheckheft,  "Waschbrettbauch und Knackpo „ sind die einzigen Werte dieser schönen jungen Welt geworden. Diese schöne "Baywatch Welt" ist bezeichnend für unsere Gesellschaft, dabei bringt sie nicht unerheblich vielen

Menschen Leid. Leid deshalb, weil sehr viele in dieses Spektrum des Schönseins nicht hineinpassen und alles erdenkliche unternehmen, um doch noch hineinzupassen. Eine Oberflächlichkeit die ich mehr als nur bedenklich finde! Hier geht es rein um Profitt; eine gewaltige Wirtschaftsmacht hat sich bestätigender Umsatzzahlen etabliert. Diese scheut sich nicht und möchten uns fortan ihr Schönheitsbild aufoktruieren, von der Diätindustrie, Schönheitsoperationen bis Modezwang, facettenartig oft erkennbar erst auf den zweiten Blick. Es gibt so viel mehr, wenn die Sinne einmal für das "andere" generell geschärft wurden.

Im Bezug zur Sexualität & Behinderung muß man sich einfach mal vor Augen führen, welche Phantasie und Einfühlungsvermögen entwickelt werden kann, wenn Körperteile nicht funktionsfähig sind oder ganz fehlen, um dieses "Handicap" zu kompensieren. Was dabei herauskommen kann,  ist eine tiefe Sinnlichkeit und ein Einfühlungsvermögen dieser Sexualpartner, was bei den Nichtbehinderten oft ja gar nicht erforderlich ist. Man macht sich als behinderter Mensch vielleicht einmal mehr Gedanken, was dem/der Partner/in gefallen könnte und kann u.U. auch tiefer

genießen, was da passiert. Freier von untergründlich aufgezwängten Umwelt- & Mediengedanken, wie oft und in welcher Form der „ Sex „ unter Menschen abzulaufen hat.

Ja auch heute noch - oder gerade in der heutigen Zeit, sollte die Frau möglichst hübsch/schön und perfekt sein. Sie sollte den Arm des Mannes schmücken. Allen zeigen "schaut mal, was ich ein tolles Weib habe". Da passen die Unvollkommenen natürlich nicht ins Bild. – Was hat sogenannte optische Ästhetik mit wirklicher Schönheit zu tun und welche davon ist lebenswert ?

Wir führen uns wie Herrscher aus der Steinzeit auf. Eine Spinne, ein Käfer oder anderes Getier wird als ekelerregend und nicht lebenswert angesehen. Angst alleine aus der Unsicherheit heraus genügt schon in Sofortreaktion nicht nur zu verdammen, sondern zuzuschlagen und auszumerzen. E S gehört hier nicht hin, gefällt mir nicht, wird getötet. – Da ist der Weg vom unintelligenten Kleingetier ( wer weiß ) zum häßlichen ( lebenswert-unwerten... )  Behinderten bereits geebnet.

Körperbehinderte sind eine Gruppe von Menschen, die zunächst einmal nur eines gemeinsam haben, nämlich eine physische Einschränkung irgendeiner Art.

Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß Körperbehinderte grundsätzlich anders erleben und handeln als Nichtbehinderte. Folglich gibt es auch keine besonderen geschlechtlichen Beziehungen und sexuellen Verhaltensweisen von Körperbehinderten. Partnerschaft und Sexualität sind im wesentlichen nicht anders zu betrachten als bei Nichtbehinderten. Worin besteht die Behinderung der Sexualität - bei Behinderten und bei Nichtbehinderten? Für jeden gilt, daß er sich

um so unsicherer fühlt, je weniger er seinen Körper akzeptieren kann. Jeder hat ein bestimmtes Idealbild von Schönheit im Kopf und fühlt sich unvollkommen, wenn er ihm nicht entspricht.Zudem wirkt der Gedanke einschränkend, daß andere, die ich mit mir konfrontiere, mich genauso als unvollkommen sehen werden. Von einer

neuen Einstellung zur Sexualität bis hin zu einem veränderten Sexualverhalten in der sozialen Wirklichkeit ist es jedoch ein weiter Weg, der den Behinderten ebenso wie seinen Partner vor große Probleme stellt. Die Sozialfunktion der Sexualität ist durch eine Körperbehinderung oft am empfindlichsten beeinträchtigt.

Vorrangig bleibt, menschliche Begegnung auch in der Sexualität zu erleben. Die sich hier etablierten „ sexuellen Kontaktstellen für Schwerbehinderte „ ohne Partner,  wie SENSIS in Deutschland oder SAR in den Niederlanden haben ihre Berechtigung gefunden und werden von den Betroffenen in zunehmendem Maße gerne in Anspruch genommen. Diesen „ therapeutichen „ Mitarbeiterinnen, jüngst auch schon Herren im Zuge der Emanzipation gilt meine allerhöchste Achtung.

Es sind  „ Therapeuten“ , die sich tief mit der gesamten Problematik freiwillig auseinandergesetzt  haben, letzt um Menschlichkeit in einem sensibelen Bereich zu fördern, welcher Randgruppen von Behinderten bislang offiziell vorenthalten wurde. Es ist an der Zeit, sich auch mit Veränderungen auseinanderzusetzen, die den Rahmen der "Norm" sprengen - einer Norm, die eben nicht nur die Sexualität der Behinderten behindert.

 

 

Dr. Jürgen-Claus Lange BN – 7. 1986

 

 

Das neue Betreuungsrecht


Wenn geistig behinderte Menschen heiraten möchten, geraten Eltern und Betreuer oft in Zwiespalt, aber das Recht erlaubt dies.


Heiraten muß nach dem neuen Betreuungsrecht auch für geistig behinderte Menschen kein Traum mehr bleiben. Doch während einige Betreuungsvereine behinderten Paaren bei der Hochzeitsvorbeitung zur Seite stehen, lehnen andere eine solche Ehe ab. "Ja, ich möchte gern heiraten." Nach dreieinhalb Jahren Freundschaft weiß Andrea Köhler , daß sie ihren Jürgen für immer haben möchte. Das würde ihr Sicherheit geben. Und auch Jürgen Phillips träumt von einem Leben mit Andrea. Nur heiraten möchte er noch nicht: "Als verheirateter Mann müßte ich abends immer zu Hause bleiben." Das Paar wohnt im Maria-Grete-Schütz-Haus, einem Wohnheim für geistig behinderte Menschen der Lebenshilfe in Köln. Es wurde 1982 mit finanzieller Hilfe der Aktion Sorgenkind für 35 Bewohner erbaut. Als Jürgen vor dreieinhalb Jahren dorthin kam, lernte er Andrea kennen. Sehr bald schon entstand eine Freundschaft und eine Liebesbeziehung. Inzwischen sind die beiden unzertrennlich. Und wenn sie wollen, können sie jetzt auch heiraten. Zumindest nach dem Gesetz. Das vor gut drei Jahren geänderte Betreuungsgesetz aus den Jahren 2009 & 2013 erlaubt ihnen, eine Ehe zu schließen, ohne die Eltern oder einen Vormund zu fragen. In der Praxis sieht das oft anders aus. Andreas Mutter würde eine solche Ehe nicht gutheißen. Und ohne ihr Einverständnis wird Andrea sich nicht trauen. Mutter dagegen Einfluß und Druck der Mutter auf die Tochter sind groß. Als sie der 31jährigen verbot, mit dem Mann ihres Herzens zu schlafen, stürzte sie die geistig behinderte Frau in schwere Gewissenskonflikte. "Es war schlimm", sagt Andrea und dreht den Kopf zur Seite. Jürgen verschränkt die Arme und nickt stumm. Nur mit Hilfe des Heimleiters konnten die beiden dieses Problem lösen. Die Mutter "erlaubte" schließlich den sexuellen Kontakt. "Viele Eltern stellen sich vor, geistig behinderte Menschen hätten keine sexuellen Regungen", sagt Karl-Heinz Driesner, der Leiter der Kölner Wohnstätte. Er unterstützt die behinderten Heimbewohner in ihren Bemühungen um ein selbstbestimmtes Leben und das auch im Hinblick auf eine Ehe. Er bietet einem Paar, das heiraten möchte, zunächst an, gemeinsam ein Zimmer oder ein Appartement zu bewohnen, und schlägt ihnen vor, gemeinsam in den Urlaub zu fahren. Wenn das Paar nach einer solchen "Probezeit" immer noch heiraten möchte, "dann müssen wir als Lebenshilfe auch die Ehe unterstützen", sagt Driesner. Er hält nichts davon, geistig behinderten Menschen die Ehe auszureden. Das ist nicht überall der Fall. Bei der Lebenshilfe Viersen zum Beispiel führen die Erfahrungen mit den geistig behinderten Paaren eher dazu, ihnen von einer Heirat abzuraten. Die Beziehungen seien nicht stabil, eine Ehe mit allen rechtlichen Konsequenzen bringe nur Probleme. Auch in Bonn sieht man das ähnlich. Dort ermöglicht man Lebensgemeinschaften von geistig behinderten Liebespaaren, rät aber dazu, auf das "Papier" zu verzichten. Annette Friese, Leiterin der Lebenshilfe-Wohnstätten in Bonn, sagt: "Viele geistig behinderte Ehepartner können die Verpflichtung, die sie füreinander übernommen haben, nicht aushalten. Wir raten den geistig behinderten Menschen deshalb, nicht zu heiraten". Therese Neuer-Miebach, Leiterin des Instituts für Fort- und Weiterbildung der Lebenshilfe, warnt hingegen davor, an die Beziehungsfähigkeit geistig behinderter Männer und Frauen höhere Anforderungen zu stellen als bei anderen: "Ihre Fähigkeit, eine Ehe zu führen, ist individuell unterschiedlich - ebenso wie bei nichtbehinderten Menschen." Kinderwunsch Weil sie ihre neuen Rechte nicht kennen, haben geistig behinderte Menschen selten den Wunsch zu heiraten. Häufiger ist dagegen der Wunsch, Kinder zu haben. Für viele geistig behinderte Frauen im gebärfähigen Alter ist der Kinderwunsch allerdings von vornherein unerfüllbar: Sie wurden oftmals mit Einwilligung ihrer Eltern in der Pubertät sterilisiert. "Für einige Frauen eine ungeheure Belastung", sagt Karl-Heinz Driesner. "Sie fühlen sich minderwertig, nicht als Frauen akzeptiert." Auch Andrea Köhler kämpft mit diesem Problem. Und Jürgen macht es ihr nicht gerade leicht. Auf die Frage, ob sie sich Kinder wünschen, blickt er sie an und lacht verkrampft: "Du kannst ja gar nicht." Andrea schaut betreten auf den Tisch. Sterilisationen ohne Einwilligung der Betroffenen sind nach dem neuen Gesetz nicht mehr möglich. Das hält der Kölner Heimleiter für richtig, auch wenn er für die Zukunft Probleme sieht. Denn andererseits ist Driesner ausdrücklich dagegen, daß geistig behinderte Menschen Kinder bekommen. Mit Blick auf das Wohl des Kindes - das in vielen Fällen völlig gesund ist - versuche auch er, den Paaren die Konsequenzen aufzuzeigen und von Kindern abzuraten, "aber schließlich können wir auch eine geistig behinderte Frau nicht zur Verhütung zwingen, wenn sie unbedingt ein Kind will". Wird doch ein Kind geboren, ist die Lebenshilfe sehr gefordert. Mit viel persönlichem Engagement suchen die Betreuer Lösungen, die sowohl den geistig behinderten Eltern als auch dem Kind gerecht werden. Die Lebenshilfe, jüngst in einer Reportage von Kabel 1 berichten über ein neues Projekt „ WARUM NICHT “. Hier hat sich die Kirche mit den Behörden dahingehend geeinigt, das kirchliche Hochzeit JA möglich ist, standesamtliche Heirat / Beurkundung aber voraussetzend für den Personenkreis nicht erforderlich sein muss.

                         

                              Vorkämpfer der sexuellen Revolution für Behinderte

 

Die Entscheidung war Matthias Vernaldi nicht leicht gefallen. Er - und eine Nutte. Er, der evangelische Theologe, der linke Intellektuelle, der Umweltaktivist der an Muskelschwund erkrankte. Er, der Mann im Rollstuhl. Doch "dann siegten meine Gefühle über meine Moral". Vernaldi brachte Menschen mit und ohne Behinderung zusammen, zu seinen legendären Partys kamen oft 500 Gäste. In einer Zeit, in der die morgendliche Erektion eines Behinderten seinen Betreuern noch eher als anstrengende Begleiterscheinung des Alltagsgeschäft denn als ernstzunehmendes sexuelles Bedürfnis galt, wuchs Herr Vernaldi in einer linken Landkommune auf. Heute lebt er in der Stadt, in der sich in den vergangenen zwanzig Jahren ein deutschlandweit einzigartiges Modell der sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung entwickelt hat. Er ist ein kluger Gesprächspartner, ein guter Zuhörer. Und so lud er irgendwann einfach ein, um zu reden - Menschen mit Behinderung, Prostituierte und Sozialarbeiter der Hurenorganisation Hydra. Sie redeten lange. Stellten fest, dass der Austausch fehlte, Wünsche mit Vorurteilen kollidierten. Vernaldi gründete Sexybilities, eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft für selbstbestimmtes Leben schwerstbehinderter Menschen.

 

 

Sexualassistenz

bezeichnet die Entfaltung nach dem Persönlichkeitsrecht § einer selbst bestimmten Sexualität für Menschen mit Beeinträchtigungen unabhängig von strukturellen, gesellschaftlichen, persönlichen oder sprachlichen Barrieren; die sich in passive, aktive Assistenz und Begleitung vom Klientel als Dienstleistung befasst. Getragen von der Überzeugung, den Wunsch nach Sexualität von Menschen ohne Beeinträchtigung und Menschen mit Beeinträchtigung als gleichwertig anzuerkennen.

 

Der Assistent bietet einem anderen Menschen eine unterstützende Tätigkeit nach Anweisung für den Bereich der Sexualität durch Sexualberatung zur Eigenverantwortung und Selbstbestimmung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Gelebte Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis im Erleben. Die Assistenz fördert oft brachliegende Bereiche hin zur individuellen Entwicklung und eigenem sexuellen Selbstausdruck. Dies bleibt nicht nur auf reine genitale Sexualität beschränkt und umfasst vielmehr das Kennenlernen individueller sexuellen Identität, die sich aus Informationen, Erfahrungen, Austausch und Wünschen zusammensetzt. Sexualität und sexuelle Identität sind somit auch ein Lernprodukt. Menschen die Sexualassistenz in Anspruch nehmen, werden als Assistenznehmer bezeichnet. Anbieter von Sexualassistenz werden als Sexualassistentinnen genannt.

 

Ziel von Sexualassistenz ist es, dass Menschen ihr Recht auf eine selbst bestimmte Intims-/Privatssphäre und damit verbunden ein individuelles Sexualleben wahrnehmen zu können.

Der Übergang von passiver zu aktiver Sexualassistenz ist besonders in der praktischen Anwendung fließend. Begriffe wie "aktiv", "passiv" oder "sexuelle Situation" können nicht eindeutig definiert werden, da sie individueller Interpretation und persönlichen Befindlichkeiten unterliegen.

 

Eine mögliche Form der aktiven Sexualassistenz ist die Sexualbegleitung. In letzter Zeit unserer immer älter werdenden Generation beobachten wir eine zunehmende Anfrage von älteren Herren aus Senioren-Residenzen ( Augustinum etc.), die noch  „ relativ “ eigenständig Leben und Bedürfnisse nach Sexualität haben; sich diesbezüglich gerne eine Begleitung wünschen.

 

 

Sexualbegleiterin: Zärtlichkeit gegen Bezahlung

 

Für Behinderte und Senioren in Heimen ist es oft schwierig, ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Sexualbegleiterinnen  bieten ihnen in Assistenz ihre Dienste an: Zärtlichkeit gegen Bezahlung. Das kommt nicht bei jedem gut an. Dennoch, ein neuer humaner Weg. -

 

Seit Mitte der neunziger Jahre gibt es im niedersächsischen Trebel eine Ausbildungsstätte für Sexualbegleiter, die ein Querschnittsgelähmter Diplom-Psychologe führt - bis heute die einzige in Deutschland. Die Ausbildung an seinem Institut für Selbst- Bestimmung Behinderter (ISBB) haben bislang 40 Personen absolviert, fast ausschließlich Frauen. Wer Sexualbegleiterin werden will, muss sechs Erotik-Workshops besuchen. Bei diesen Seminaren werden Menschen mit Behinderung und Sexualbegleiterinnen in spe zusammengebracht. Es ist "learning by doing": Erotischer Abend, Berührungsspiele und erste Dates. Die Ausbildung ist kostenlos, ihm geht es um eine Mission, nicht um Profit. Viel wichtiger sei die Öffnung der herkömmlichen Prostitution für Menschen mit Behinderung. Einen Partner finden? Intim sein? In Wohnheimen für Behinderte ist das oft sehr schwierig – nicht selten menschenverachtend. Bei den späteren Treffen mit der Sexualbegleiterin bleibt es meist nicht nur beim bloßen Anschauen. Ob es aber wirklich zum Geschlechtsverkehr kommt, entscheidet die Sexualbegleiterin erst während einem Date.

Viele Behindertenverbände und Beratungsstellen halten die Sexualbegleitung für ein gutes Angebot, das allerdings noch äußerst klein ist: Bundesweit arbeiten derzeit gerade einmal sieben Sexualbegleiterinnen für ein besseres, selbstbestimmtes Leben der Betroffenen.



"Freier mit Behinderung betrachten uns als Menschen"


Für viele behinderte Menschen steht das Bedürfnis nach Zuneigung im Vordergrund - um genitalen Sex geht es erst in zweiter Hinsicht. Die alte Debatte über Selbstbestimmung und falsch verstandenes Mitleid.


Ein Mann geht ins Bordell, eigentlich nicht weiter erwähnenswert, gehörte man nicht zu den geschätzten sieben bis neun Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland. Und wäre Behinderung und Sexualität nicht immer noch ein so tabubehaftetes Thema, egal ob es um Beziehungen zwischen Menschen mit Behinderung oder um käufliche Liebe geht. Immer wieder mal hört man von Befreiungsbewegung, sexuelle Revolution für Menschen mit Behinderung.

Für Menschen mit schwerer Behinderung ist nichts wie für Gesunde - auch der Sex nicht. Trotz zaghafter Schritte hin zur sexuellen Befreiung bleibt ihr Bedürfnis ein Tabu. Vielen bleibt nur der Weg zu Prostituierten. Die Frauen, die sagten, sie gingen nicht mit einem Behinderten mit oder sich doppelt bezahlen lassen. Mit ihm als Körperbehinderten aufs Zimmer zu gehen und ihn dann mit Streicheln abspeisen wollten, obwohl er nach normalem Geschlechtsverkehr gefragt hatte.

 



Sexualbegleitung für geistig Behinderte



Satt und sauber sein – das war lange Zeit alles, was geistig Behinderte vom Leben zu erwarten hatten. Lust war nicht vorgesehen. Nun aber gesteht man sie ihnen zu. Und hilft nach.

Sexualbegleitung, das bedeutet in der Regel Streicheln, Nähe, Körperkontakt, Massage und sexuelle Befriedigung ohne Küssen, Geschlechts- oder Oralverkehr.
Nie wird Elisabeth Kurz* jene Szene auf dem S-Bahnhof vergessen: Sie ging mit ihrem Sohn Peter, der damals etwa siebzehn war, an einem knutschenden Pärchen vorbei. „Da riss er mich plötzlich am Ärmel und schrie: ,Mach das weg, mach das weg!’ Ich fragte, was er denn meine, und er rief: ,Hose eng!’ Da dämmerte mir, dass er vermutlich eine Erektion hatte.“

Peter ist Autist. Sein Gedächtnis ist fotografisch, doch hat er kaum Empathie für andere Menschen und kann komplexen Unterhaltungen nicht folgen. Wenn er spricht, ist seine Sprache oft verwaschen. Physiotherapeutinnen, Ergotherapeuten, Logopädinnen und Psychologen haben sich von frühester Kindheit an um sein geistiges und körperliches Wohl gekümmert. Doch als er in die Pubertät kam, hatte Kurz, von Beruf Sozialpädagogin, plötzlich das Gefühl, „dass es da Bedürfnisse gab, die Peter nicht ausleben konnte“.

Wenn die Freundinnen seiner Schwester zu Besuch kamen, wich er ihnen nicht mehr von der Seite oder setzte sich auf deren Schoß. Wenn er allein in seinem Zimmer war, versuchte er erfolglos zu masturbieren. „Es zerriss mir das Herz, ihn so zu sehen. Ich hatte dann diese Gedanken: ,Ich habe ihn gefüttert, ich schneide ihm die Haare - warum kann ich ihm nicht auch das beibringen?’ Aber das ging nicht - ich bin ja auch nur ein Mensch und habe eine gewisse Hemmschwelle.“

Männer werden friedlicher, ruhiger, selbstbewusster
Da ist sie nicht die Einzige. „Angehörige sind oft entweder hilflos, oder sie wollen es nicht wahrhaben, wenn sie merken, dass ihr dementer Vater oder ihr geistig behinderter Sohn Lust hat“, sagt Natascha Mesic, Bereichsleiterin im Rudolf-Schloer-Stift, einer evangelischen Altenpflegeeinrichtung in Moers, in der auch geistig behinderte Bewohner leben. Und doch ist es nicht zu leugnen: Auch Menschen mit geistiger Behinderung haben Lust. Und wenn sie die nicht ausleben können, leiden sie entweder still vor sich hin, verletzen sich selbst oder belästigen diejenigen, die sich um sie kümmern.

Als Mesic daher in einer Altenpflegezeitschrift von der Möglichkeit der „Sexualbegleitung“ las, dachte sie: „Das könnte die Lösung für unser Problem sein.“ Diese Rechnung ist aufgegangen. Alle zwei Monate fährt nun ein demenzkranker Bewohner aus der Einrichtung zu einer Sexualbegleiterin; sein gesetzlicher Betreuer hat zugestimmt, bezahlen tut der Mann das selbst. „Das ist wie ein Ausflug“, erläutert Mesic. Und doch viel mehr.

„Es gibt so was wie eine Entspannung, die Männer werden friedlicher, ruhiger, oft auch selbstbewusster - ich glaube, weil sie ihre Bedürfnisse gemeinsam mit einem anderen Menschen ausleben konnten“, sagt Catharina König aus Bochum, eine der wenigen Sexualbegleiterinnen in Deutschland, die von ihrer Tätigkeit leben können. Sexualbegleitung, das bedeutet in der Regel Streicheln, Nähe, Körperkontakt, Massage und sexuelle Befriedigung ohne Küssen, Geschlechts- oder Oralverkehr. Und das alles gekoppelt an emotionale Zuwendung. Etwas anderes als klassische Prostitution sei das, sagen die Sexualbegleiterinnen. König formuliert es so: „Das Kino im Kopf, das mit den schmuddeligen Sachen - das hat nichts mit meiner Arbeit zu tun.“

Ethisch hoch umstritten
Nach dem Abitur hat König, 53, mehr als 25 Jahre lang als Steuerfachangestellte gearbeitet, vor sechs Jahren machte sie sich als Sexualbegleiterin selbständig, weil sie aus ihrem Job „rausgemobbt“ wurde. In Jeans und Pantoffeln öffnet sie die Haustür - man betritt eine helle, freundliche Wohnung mit breiten Dielen und einem großen Samowar in der Wohnküche. Kurze graue Locken hat sie, eine orangefarbene Brille, und so wenig wie eine Prostituierte sieht sie aus, dass sie vor kurzem jemand in einer Behinderteneinrichtung mit der Fußpflegerin verwechselt hat. Gleich hat sie einen Termin bei einem Kunden, der in einer diakonischen Einrichtung lebt. Schon seit vielen Jahren fährt sie zu diesem Mann, aber jedes Mal muss sie sich wieder neu vorstellen. Er hat sein Kurzzeitgedächtnis verloren.

Nicht alle Einrichtungen indes öffnen ihre Türen für Sexualbegleiterinnen. Das Thema ist ethisch hoch umstritten und das wohl letzte Tabu in der Behindertenarbeit. Manche Einrichtungen - auch kirchliche - halten einen eigenen Raum dafür vor. Andere verschließen kategorisch ihre Türen. So erinnert sich Elisabeth Kurz daran, dass ein Betreuer ihres heute 33 Jahre alten Sohnes zunächst „völlig entsetzt“ reagierte, als sie ihm mitteilte, sie wolle eine Sexualbegleiterin für Peter engagieren. Doch Kurz, die auch die gesetzliche Betreuerin ihres Sohnes ist, setzte sich durch und engagierte die 51 Jahre alte Nina de Vries aus Potsdam, von deren Existenz sie über eine Bekannte erfahren hatte.

Die gebürtige Niederländerin war 2001 die Pionierin der Sexualbegleitung in Deutschland, sie hält heute zahlreiche Vorträge und hat auch schon Sexualbegleiterinnen ausgebildet. „Ich war so froh, zu hören, dass es jemanden wie sie gibt. Und dann habe ich zum Peter gesagt: ,Die Nina ist wie deine anderen Therapeuten’“, berichtet Kurz. „,Es geht um deine Seele und darum, dass du dich in deinem Körper wohl fühlst.’“

Tiefer Graben zwischen Konservativen und Liberalen
Kritiker aber sind der Meinung, man könne sich bei Menschen mit geistiger Behinderung nicht sicher sein, ob sie freiwillig mitmachten. Manche Wissenschaftler befürchten sogar, dass einige Sexualbegleiter die Abhängigkeit ihrer Klienten ausnutzen könnten, und die katholische Kirche ist strikt dagegen. Andreas Lob-Hüdepohl, wissenschaftlicher Sachverständiger im Kuratorium der Arbeitsstelle „Pastoral für Menschen mit Behinderung“ der Deutschen Bischofskonferenz, sagt: „Aus der Perspektive der katholischen Sexualmoral ist es nicht legitim, dass ein Pfleger jemandem, der in einer katholischen Behinderteneinrichtung lebt, eine Sexualbegleiterin vermittelt. Sexualität ist in einem solchen Fall nicht Ausdruck von Partnerschaft, und Missbrauch ist möglich. Es gibt auch kein Menschenrecht auf jede Form von Sexualität für Menschen mit Behinderung.“

Etwas anderes sei es allerdings, wenn Angehörige eines Heimbewohners eine solche Vermittlung auf dessen Veranlassung vornähmen. Wenn sie das moralisch verantworten könnten, müsse die katholische Kirche das als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes des Bewohners tolerieren.

In der Praxis setzt sich seine Kirche allerdings schon längst über diese Vorgabe hinweg. „Uns ist das bewusst mit dem Verbot, aber Sexualität und menschliche Nähe sind doch was Normales, und unser Leitbild in der Einrichtung besagt, dass wir die Würde des Menschen nicht außen vor lassen“, sagt die Pflegedienstleiterin eines katholischen Altenwohnheims am Rande des Münsterlandes. Es gebe zwar Medikamente, die den Trieb hemmten, aber die wirkten nur vorübergehend, deswegen komme es nicht in Frage, sie zu geben: „Und ich kann doch auch nicht von den mir anvertrauten Menschen verlangen, dass sie nach den gleichen Gesetzen leben, wie ich persönlich das tue. Die sind doch zum Teil nicht mal katholisch.“

Quer durch die Lager verläuft dieser Riss, der Graben tut sich auf zwischen Konservativen und Liberalen, zwischen Katholiken und Protestanten. Die evangelische Kirche nämlich steht Sexualbegleitung unter gewissen Voraussetzungen prinzipiell aufgeschlossen gegenüber, da „Liebe und Sexualität von Gott gewollt“ seien. Und doch bleiben Unsicherheiten, selbst bei den größten Befürwortern, zu denen Elisabeth Kurz gehört.

Sexualbegleitung als psychotherapeutische Leistung
Ein später Freitagabend Ende Januar. Kurz ist, wie so oft, zu ihrem Sohn in die Einrichtung gefahren, nun schläft er, und sie wird in einer Ferienwohnung übernachten, da ihr Wohnort zu weit entfernt ist. Nina de Vries war einige Tage zuvor bei ihm, Peter hat der Mutter davon erzählt, es war sehr besonders für ihn, obwohl die beiden schon seit fünf Jahren Kontakt haben: „Sein Blick, seine Haltung waren viel selbstbewusster, seine Stimme klang glücklich, er schwärmte davon, wie schön es war“, erzählt Kurz.

Und doch hat sie gespürt, „wie sich sein Wunsch nach Zweisamkeit verstärkt hat. Was tun wir mit diesem Wunsch?“ Peters Schwester hat die Mutter mal gefragt: „Ist das eigentlich gut, was wir machen? Das ist doch so, als würden wir Peter ein Rippchen Schokolade geben und ihm die Tafel dann wieder wegnehmen.“ Manchmal, sagt Kurz, ist Peter tatsächlich traurig darüber, dass er Nina nicht für sich allein haben kann; dann will er sie nicht mehr sehen und sagt die nächsten Treffen ab. Bis er sie dann wieder so vermisst, dass er unruhig wird und beginnt, Sachen zu zerreißen. Mit weinerlicher Stimme jammert er dann: „Ich brauch eine Frau, Nina soll kommen, ich brauch’ meine Nina.“

Kurz kennt Angehörige, die sich das voller Entsetzen anhören und sagen, sie wollten keine schlafenden Hunde wecken. Satt und sauber, das müsse reichen. „Aber wir wecken ja gar keine schlafenden Hunde“, meint Kurz. „Der Wunsch nach Sexualität ist beim Peter ja da, man kann das nicht wegreden.“ Darauf zu warten, dass Peter in seiner Einrichtung eine Partnerin finde, sei unrealistisch. Freundinnen hatte er zwar schon mehrere, aber diese Beziehungen waren rein platonisch.

Und so kommt sie weiterhin für die Bezahlung der Treffen mit Nina de Vries auf. Zwischen 90 und 130 Euro kostet eine Stunde, je nach Anfahrt. Kurz würde es Peter gern öfter gönnen, aber sie kann es sich nicht leisten. Nur wenn es ganz schlimm wird, kommt de Vries zu ihm. Ungefähr viermal im Jahr. Und einmal, als die Not zu groß wurde, hat auch schon seine 85 Jahre alte Großmutter Geld gegeben.

Kurz wäre sehr dafür, dass Sexualbegleitung vom Sozialamt bezahlt wird. Ab und zu geschieht das auch jetzt schon. In Berlin zum Beispiel hat der Sozialpsychiatrische Dienst dreizehn Besuche von Nina de Vries bei einem blinden körper- und geistig behinderten Mann befürwortet, der sich bei seinen Versuchen zu masturbieren verletzte. Abgerechnet wurde eine psychotherapeutische Leistung. „Man brauchte wesentlich weniger Psychopharmaka, die Menschen wären umgänglicher, das würde unglaubliche Kosten sparen“, glaubt Elisabeth Kurz.

Und Peter? Der würde das wohl auch begrüßen. „Es ist sehr schön, wenn die kommt, die Nina“, sagt er am Telefon. „Wir machen Kerzen an, trinken Tee, und dann“, er macht eine Pause und lacht, „ist schön.

 

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Sexualtherapie – therapeutische Surrogatpartnerschaft

Ursprung und Entwicklung der Surrogattherapie

Die therapeutische Sexualassisstenz (Sexual surrogate) als spezifische Form der Sexualtherapie wurde in den USA von Masters und Johnson eingeführt. Sie stellt dort heute eine seltene und atypische Technik dar und stößt auf ethische und rechtliche Bedenken.[4]

In Deutschland wurde in den 1960er und 70er Jahren eine Zeitlang Surrogattherapie durch den Münchner Sexualwissenschaftler Götz Kockott durchgeführt. Im Zuge der zunehmenden Angst vor AIDS hat sich diese Therapieform jedoch nicht etabliert und wird nun in Europa wieder bekannter.

Der Therapeut als Surrogat

Aufgrund von gesetzlichen und standesrechtlichen Bestimmungen können und wollen ärztliche Therapeuten auf keinen Fall selbst als Ersatzpartner handeln. Psychologisch ausgebildete Prostituierte, die sich zum Sexualtherapeuten weiterbilden und z. B. eine Zulassung zur Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktiker) erwerben, können in ihrer therapeutischen Arbeit ohne Einschränkung und mit übereinstimmender Willenserklärung zwischen Patient und Behandler selbst als Surrogat tätig werden.

Die Rolle des Hilfstherapeuten

Die Sexualtherapeuten Masters und Johnson setzen, anstatt analytisch vorzugehen, den Partner eines Klienten ohne manifeste Symptombildung als Hilfstherapeuten ein. Die Vertreter einer systemischen Sicht verstehen hingegen die sexuelle Problematik des Klienten eher als eine Störung, die sich in der Beziehung des jeweiligen Paares selbst manifestiert, auch wenn nur bei einem Partner die manifeste Symptombildung vorliegt.

Die psychotherapeutische Arbeit ist demnach hier üblicherweise erfahrungsorientiert, so dass das Paar angeleitet wird, zu Hause den körperlich-sexuellen Umgang mit dem Partner, aber auch mit sich selbst nach bestimmten Regeln zu gestalten. Vor diesem Hintergrund haben einige Sexualtherapeuten und fachlich qualifizierte Prostituierte begonnen, die Rolle des Ersatzpartners für therapeutische Settings fachübergreifend zu instrumentalisieren.

Sexualtherapeutische Ansätze, die meist integrierend Methoden der Verhaltenstherapie, Kognitionstherapie und Psychoanalyse beinhalten, haben in den USA allerdings derzeit einen wesentlich höheren Stellenwert als in Deutschland. Ausgehend von der Überzeugung, dass die Therapie von Sexualproblemen nur dann erfolgreich sein könne, wenn sowohl erektile Dysfunktion als auch die Partnerschaft selbst behandelt würden, haben sich dort inzwischen weitreichende Therapieprogramme entwickelt.

Voraussetzungen

Eine therapeutische Surrogatpartnerschaft wird zum Beispiel angewandt, wenn ein somatisch (körperlich) gesunder Klient einen gestörten Zugang zur eigenen oder zur gemeinsamen Sexualität mit dem Partner aufzeigt. Vor allem geht es dabei um die erektile Dysfunktion (Potenzstörungen) aufgrund von Beeinträchtigungen der Sexualität durch Konflikte im Alltag und verzögerte oder vorzeitige Orgasmen des Mannes (Ejaculatio praecox). Erektionsstörungen oder ausbleibender Orgasmus (Anorgasmie), der Verlust oder die generelle Verminderung der sexuellen Lust (Appetenzstörung und Frigidität) können erfolgreicher therapiert werden, wenn ein Sexualpartner zur Verfügung steht, um die besprochenen Veränderungen umzusetzen. Fehlt dieser setzen manche einen Surrogatpartner ein. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Störung überhaupt erst die Aufnahme einer tragfähigen intimen Beziehung verhindert. Zeigt die therapeutische Diskriminierung ein solches Problem auf, wird gegebenenfalls ein Surrogatpartner eingesetzt. Sexualstörungen können klassisch therapeutisch nur bis zu einem gewissen Grad erfasst werden. Tiefenpsychologische Verfahren richten sich nach der eigentlichen Ursache der beeinträchtigten Sexualität (oft Missbrauchserfahrungen, frühkindliche Störung, traumainduzierte Abwehrmechanismen, etc.). Durch Lösung des Vorkonflikts und Entwicklung von Beziehungsfähigkeit kann der Patient im Lauf der Zeit neue oder bestehende Liebesbeziehungen entwickeln bzw. vertiefen und eine beziehungszentrierte Sexualität aufbauen. Hierfür wäre eine Surrogatpartnerschaft nicht nur unnötig sondern klar kontraindiziert.

Da die psychischen Ursachen atraumatischer sexueller Störungen weitgehend geschlechtsneutral im jeweiligen Rollenverständnis und gesellschaftlichen Selbstwertgefühl begründet liegen, stellen emotionale Zuwendung und erwartungsfreie Begegnung für Klienten beiderlei Geschlechts die therapeutische Grundlage zur Surrogattherapie dar. In dieser Stimmung weitgehender Vertrauensbildung kann dem Klienten die eigene Sexualität eher gelingen, als müsste er, wie in einer normalen sexuellen Beziehung, gleichzeitig noch beziehungsrelevante Erwartungen, Erwartungen an die Fitness, Gedanken zur Empfängnisverhütung oder zum Wunschkind, in Bezug auf die Sozialisation des Geschlechtspartners oder die eigene Rolle als Partner, Ernährer oder Versorger erfüllen. Ebenso kann ein männlicher Surrogatpartner einer entsprechenden Anorgasmie bei weiblichen Klienten begegnen. Dadurch, dass soziologische und materielle Hintergedanken auf Seiten des Sexualpartners wegfallen und dass bestimmte Erwartungsvermutungen an einen perfekten Körper oder eine bestimmte Ausdauer während des Aktes erst gar nicht gestellt werden und der Klient nicht zuletzt weiß, dass sein Surrogatpartner, anders als eine reguläre Prostituierte sich auch menschlich auf ihn einlässt, kann dem eigentlichen Problem der gestörten Sexualität besser begegnet werden.

Eine Sexualtherapie, bei der einem Klienten dadurch die Angst vorm Geschlechtsverkehr genommen wird, dass ein „Surrogat“ eingesetzt wird, ersetzt den eigentlichen Wunschpartner körperlich durch eine Vertretung. Eine solche Therapie kann nur wirken, wenn das therapeutische Setting zu Beginn der Behandlung beide Seiten klar in ihre temporäre emotionale Rolle als Sexualpartner verortet. Der Surrogattherapie wird vor allem aus Unkenntnis über diese gesprächstherapeutische Vor- und Nachbereitung vorgeworfen, die Prostitution im klassischen Sinn zu fördern. Tatsächlich stehen der Geschlechtsakt selbst und Sexualpraktiken an sich nicht im Mittelpunkt der Arbeit eines therapeutischen Surrogatpartners. Vielmehr erfüllt er die Rolle eines einfühlsamen Begleiters, der erst einmal die eigentliche Bereitschaft zur eigenen Sexualität beim Klienten aufbaut und ggf. vorhandene affektive Störungen supportiv löst.

Bei traumatisch bedingten Sexualstörungen ist regelmäßig eine entsprechend längere gesprächstherapeutische Vorphase angezeigt. Der Surrogatpartner spricht mit dem Klienten ausführlich über seine Empfindungen und arbeitet gegebenenfalls in Bezug auf die Trauma-Behandlung mit einem Psychotherapeuten zusammen. Idealerweise ist er selbst darin geschult z. B. mit Nondirektiver Gesprächsführung zu arbeiten. Nach einer Zusammenkunft mit einem Surrogatpartner folgt bei Belastungspatienten je nach angezeigter Diagnose eine gesprächstherapeutische Einheit und die Aufforderung auch selbst neue Sexualpartner zu finden.

Frequenz und Dauer der Begegnungen mit einem Surrogatpartner schwanken stark. Eine einmalige Behandlung wird hierbei ebenso die Ausnahme darstellen, wie eine vergleichsweise langjährige Therapie, wie im Bereich der Psychoanalyse üblich. Da in Europa nur wissenschaftlich anerkannte Verfahren auf Kosten der Krankenkasse durchgeführt werden können, werden Surrogartpartner im Rahmen einer Psychotherapie hier allenfalls als privat finanzierte Co-Therapeuten eingesetzt.

Ausbildung

Die Tätigkeit eines Surrogatpartners wird nicht staatlich ausgebildet oder von einem Träger der berufsbildenden Institutionen vermittelt. Ein Verband oder eine Berufsvertretung von Sexualassistenzen, Sexualbegleiterinnen und Surrogatpartnern mit der Möglichkeit eines fachlichen Austausches oder einer Qualitätssicherung existiert in Europa nicht.

Eine Fortbildung und Supervision zur Sexualbegleitung für Behinderte wird seit 1997 erstmals in Europa in Trebel/Ostniedersachsen von dem systemisch ausgebildeten Dipl.-Psychologen Lothar Sandfort am Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter (ISBB) in Trebel angeboten.[5] Die Methodik weist Parallelen zu Neotantra und der Körpertherapie auf. 2004 bildete die bekannte niederländische Sexualbegleiterin Nina de Vries vier Männer und sechs Frauen aus, sie tat dies im Auftrag der Fachstelle für Behinderung und Sexualität – gegen sexualisierte Gewalt, gegründet von Aiha Zemp. Psychologische Psychotherapeuten und Ärzte mit Fachausbildung in Psychotherapie haben sich berufsständisch verpflichtet, keine intime Beziehung mit einem Patienten einzugehen. Ein Verstoß gegen diese Standesregeln würde den Entzug der Kassenzulassung nach sich ziehen. Für Sexualtherapeuten gibt es zum einen ärztliche Fortbildungen, aber auch nicht-ärztliche Berufsfelder, z. B. für Heilpraktiker oder psychologische Berater. Den Zugang zur Tätigkeit als Surrogatpartner haben somit primär Behandler aus dem Bereich des Tantra mit Heilpraktikerzulassung oder Prostituierte mit Studium der Psychologie oder entsprechend lebenspraktisch ausgebildeten Kompetenzen.

 

Strafbarkeit und rechtliche Situation in Deutschland

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist im Art. 2 GG garantiert. Dieses beinhaltet auch das Recht auf Schutz vor Missbrauch und das Recht, sich jeden Sexualpartner zu wählen, der helfen kann, eigene Defizite oder ungewollte eigene Keuschheit aufgrund von fehlenden Möglichkeiten zur Entwicklung einer gesunden Sexualität zu überwinden. Ein weiteres Problem ist strukturelle Gewalt, also sogar darüber hinausgehende unerlaubte Begrenzung von Selbstbestimmung, beispielsweise durch Hausordnungen in Pflegeeinrichtungen (Besuchsverbot für Prostituierte), durch soziale Kontrolle (ständige Aufsicht durch Pflegepersonal), oder mangelnde Intimität durch fehlende Einzelzimmer oder Ausweichräume (Liebeszimmer). Einerseits soll das Pflegepersonal den Klienten ein lebenswertes Leben ermöglichen, andererseits besteht die Gefahr, dass das Pflegepersonal missbräuchlich oder in guter Absicht Grenzen überschreitet.

Außerhalb von Pflegeeinrichtungen, im privaten Rahmen und im Rahmen von nicht ärztlicher Lebenshilfe im sexuellen Rahmen einer Beratung durch Heilpraktiker oder Heiler stellt die Vornahme freiwilliger, selbstbestimmter sexueller Handlungen durch andere als den eigenen oder einen festen Sexualpartner auf grund des Rechtes auf sexuelle Selbstbestimmung kein juristisches Problem dar. In Abhängigkeitsverhältnissen ist aktive Sexualassistenz nach §§ 174 ff. StGB verboten.[2]

Passive Sexualassistenz ist jedoch immer möglich, solange sie nicht an Abhängigen praktiziert wird, da auch das gewerbliche Anbieten sexueller Dienstleistungen in Deutschland nicht mehr strafbar ist. Das Prostitutionsgesetz (Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten – ProstG) regelt die rechtliche Stellung von Prostitution als Dienstleistung seit dem Jahr 2001. Gleichzeitig wurden das Strafgesetzbuch in § 180a (Ausbeutung von Prostituierten) und § 181a (Zuhälterei) dahingehend geändert, dass das Schaffen eines angemessenen Arbeitsumfeldes nicht mehr strafbar ist, solange nicht eine Ausbeutung von Prostituierten stattfindet. Für Menschen, die ansonsten keine Betreuungsbeziehung mit dem Betroffenen haben, gilt die Strafbarkeit nach §§ 174, 174a und 174c StGB daher nicht. Deshalb werden Sexualassistenten eingesetzt. Oft praktiziert Pflegepersonal Sexualassistenz heimlich oder verschleiert (Intimwaschung, Baden, eincremen).

Pro Familia kam zu dem Schluss: „Es findet sich keine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage, aus der sich eine staatliche Pflicht ableiten ließe, AnbieterInnen von entgeltlicher Sexualassistenz und Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderungen institutionell zu fördern.“[3]. Gleichwohl wird inzwischen allg. von einer eben nicht einfachgesetzlichen sondern verfassungsrechtlichen Verpflichtung ausgegangen und das zwangsweise vorenthalten von ggf. bezahlten Sexualkontakten als strukturelle Gewalt betrachtet.